Eigentlich dachte ich, der Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof in Weinheim an der schönen Bergstraße wäre der schönste und romantischste Garten, doch gestern habe ich auch hier im Norden, im niedersächsischen kleinen Dörfchen Sammatz ein Paradies entdeckt, von dem ich bislang nichts wusste.

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Der Michaelshof in Sammatz ist ein ganz besonderer Ort. Nicht nur, dass in den Sammatzer Gärten gerade Tausende von wunderbaren Rosen blühen, deren betörender Duft mir jetzt noch in Erinnerung ist. Nein, es ist auch ein Arche-Hof, in dem seit etwa fünf Jahren Stallungen und Hofgebäude so errichtet wurden, dass sich die Tiere wohlfühlen.

Etwa 50 Rinder, Milchkühe und Kälber, Schafe, Ziegen, Esel, Pferde und Schweine leben hier. In einem großen Freigehege krähen stattliche Hähne, Hühner scharren auf dem Mist, Puten machen einen riesen Lärm, Perlhühner laufen um die Wette. Es ist herrlich, diesem Treiben zuzuschauen. Alte Haustierrassen, die heute vom Aussterben bedroht sind, können hier artgerecht leben.

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Volunteers aus aller Welt und Schulklassen unterstützen das Projekt. Es gibt eine eigene Meierei, in der Käse und Milchprodukte hergestellt werden, eine Bäckerei, die herrliches Brot backt und das alles kann man in Bio-Qualität auch im Hoflädchen kaufen, der im Bereich der Stallungen am Eingang des Hofes zu finden ist.

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Der Garten ist kein englischer Landschaftgarten, aber auch kein normaler Bauerngarten. Hier spürt man den Wendland-Spirit. Vorhandene Natur darf sanft ihre Schönheit offenbaren, neue Gartenwelten im bunten unkonventionellen Mix erfreuen das Auge. Vielfalt, statt starrer Regeln und Anordnungen. Verspieltes, gemixtes, buntes. Herrlich! Dazwischen Skulpturen aus Holz im Farbenmeer der Blüten und Bäume. Ein bisschen erinnert es mich an André Hellers Zaubergarten am Gardasee. Mein absoluter Traumgarten, in den ich mich bereits vor vielen Jahren verliebt habe. Sogar mediterrane Pflanzen wie sizilianischer Lorbeer und Palmen haben sich hier in den Norden verirrt. Nicht viele, nicht die Üblichen, sondern nur vereinzelt. Es dominieren heimische Arten. Jede Jahreszeit bietet ihren Reiz.

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Mme. Boll, eine Portlandrose mit intensivem Duft begrüßt uns schon aus der Ferne. Ich kenne und liebe den Duft. Auch bei mir im Garten wächst diese Rose. Ich liebe Rosen. Hier Schwertlilien und Rohrkolben am verwunschenen Teich. Dort ein Rosenbogen, ein französischer Spring-Brunnen, Rittersporn, Glockenblumen, Phloxe und Iris begleiten die Rosen. Alte stolze Walnussbäume, Eichen, Kiefern, Apfel- und Kirschbäume tauchen im Blütenmeer auf. Ein bezaubernder Ort!

Am Waldsee mit seinem steilen Gelände mit vielen bunt bepflanzten Terrassen bin ich überrascht. So etwas hätte ich hier im „Flachland“ nicht erwartet. Aber die ganze Gegend im Wendland überrascht. Die Gegend ist hügelig, ja fast bergig. Fährt man von Bleckede am Elbufer Richtung Hitzacker, gibt es sogar Serpentinen. In Sammatz gibt es diese Berge also auch. Viele Wege führen durch die Sammatzer Gärten und auch rund um den Waldsee sind viele bequeme Bänke aufgestellt. Eine Bühne im Wasser dient als Eventfläche für Konzerte & Co. Jetzt in Corona-Zeiten ist es leider still hier. Man darf an Stühlen und Tischen sitzen und dem Springbrunnen im See zuschauen, wie er lilienförmig Wasser speit. Ludwig der 14. Hätte seine Freude daran. Ein Kleinod. Mitten im Wendland.

Der Naturpark gliedert sich in den Rosengarten, Campusgarten, Heilpflanzengarten, Staudenplateau, Dahliengarten, Arena, Zentrale Gärten und den Waldsee. Man braucht Zeit und Muße, um alles in Ruhe zu erkunden.

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Eine kleine Stärkung gibt es im Hof-Café, welches Speisen aus eigener Bio-Produktion anbietet. Auch hier herrscht entspanntes Ambiente. Die Tische stehen weit auseinander, bequeme Korbsessel laden zum längeren gemütlichen Verweilen ein. Aufgeschlossene, freundliche Servicekräfte kümmern sich herzlich um die Gäste. Man sieht viele Familien mit Kindern, Großeltern mit den Enkelkindern und Menschen, die wissen was gut ist und gerne genießen. Selbst gemachte Torten kommen prima an. Und auch mein Vollkornbrot mit Käse aus eigener Herstellung schmeckt. Wertiges Geschirr, robuste Sonnenschirme. Hier hat alles eine hohe Qualität. Durch und durch. Das erfreut.

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Auf eigenen Ackerflächen wird Gemüse in Bio-Qualität angebaut. Etwa 180 bis 230 Menschen, darunter auch feste Mitarbeiter leben und werkeln hier auf dem Arche-Hof gemeinsam, hinzu kommen etwa 80 bis 120 freiwillige Helfer aus aller Welt. Ein internationales Treiben, wie man es nicht für möglich gehalten hätte. Aber wir sind ja im Wendland. Hier ist alles möglich.

Eine bunte Bande liebenswerter, höchst origineller Kinder und Jugendlicher gehört mit zum Hof. Denn hier leben 34 Kinder und Jugendliche in sechs auf das Dorf verteilten Wohngruppen und sind eng mit dem Leben auf dem Hof verbunden. Die Peronnik Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung nimmt Menschen mit geistiger Behinderung, etwa Autisten, als auch mit sozial-emotionalen Störungen auf. Sie leben hier und bevölkern nachmittags die Dorfstraße oder essen Eis im Café. Übrigens: Peronnik ist ein altes Märchen, in dem ein scheinbar dummer, zurückgebliebener Junge diesen Namens am Ende mehr kann als alle anderen und den bösen Zauberer besiegt…

Ein wunderbarer Ort. Für uns alle!

 

Text: Petra Pettmann M.A.

  1. Juni 2020