Pressebüro Petra Pettmann

FREIE JOURNALISTIN DJV, fundierter Wirtschaftsjournalismus für die Profigastronomie, Food-, Tourismus-, MICE- & Retail-Branche mit besonderem Focus auf Nachhaltigkeit, Ursprünglichkeit und Ethik. Das Pressebüro "PP-Kommunikation" von Petra Pettmann M.A. hat seinen Sitz in Bleckede bei Lüneburg, Niedersachsen.

DIE PESTIZIDLÜGE / André Leu

REZENSION

Die Pestizidlüge – Wie die Industrie die Gesundheit unserer Kinder aufs Spiel setzt

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Foto: Verlag oekom

Leseprobe

Das Buch „Die Pestizidlüge“ von André Leu, erschienen im oekom-Verlag am 26. Februar 2018 (Preis: 20,00 €) will anhand von Studien aufklären, wird allerdings durch die schlechte Übersetzung unglaubwürdig.

Schade, denn dass die Welt wegkommen muss vom Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und Insektiziden als auch gentechnisch veränderten Organismen wenn sie auch zukünftig noch Nährboden für Mensch Tier und Pflanze sein will, ist mittlerweile offensichtlich. Es geht nicht nur um die Zukunft unserer Kinder, Babys und Föten, sondern um das Fortbestehen allen Lebens auf unserem Planeten.

André Leu ist ein anerkannter Biolandwirt aus Australien mit über 40 Jahren Erfahrung in biologischer Bewirtschaftung von Agrarflächen. Er lebt in Daintree, Queensland in Australien. Das Originalbuch in englischer Sprache trägt den Titel „Poisoning Our Children: The Parent’s Guide to the Myths of Safe Pesticides“ und ist gleichzeitig mit dem deutschen Titel in den USA erschienen. Es geht um die „Vergiftung unserer Kinder“ durch die Agrarindustrie. Bereits hier zeigt sich die teilweise nicht nachvollziehbare Übersetzung aus dem Englischen von Sonja Schuhmacher und Naemi Schuhmacher, die ansonsten überwiegend Kinderbücher und Romane übersetzen.

Der Titel der deutschen Übersetzung „Die Pestizidlüge“ ist nicht nur schlecht gewählt, sondern auch grundsätzlich falsch. Es werden organische Chlorverbindungen mit anorganischen Chloriden gleichgestellt. Dieses ist wissenschaftlich in keiner Weise haltbar. Die hergeleiteten Aussagen wie zum Beispiel die Anzahl von Chemikalien im Nabelschnurblut Neugeborener sagt nichts aus da jegliche Bezeichnung der Chemikalien oder chemischen Gruppen fehlt. Kaliumchlorid, einen seit dem neunzehnten Jahrhundert benutzten „Kunstdünger“ mit organischen Chlorverbindungen gleichzusetzen, ist haarsträubend. Hier sollte man unbedingt die Originalausgabe von Acres USA von André Leu mit der deutschen Übersetzung vergleichen und prüfen, was André Leu wirklich geschrieben hat.

Die Aussagen zur Zulassung und zum Testverfahren sind fragwürdig. André Leu sagt, dass nur der sogenannte aktive Wirkstoff – im Buch als Beispiel Glyphosat – auf Risiko und Gefährlichkeit getestet wird, nicht aber das von dem Landwirt bezogene Pestizidprodukt. Diese Aussage ist jedenfalls für Europa falsch. In Europa werden die Endprodukte getestet. Das Buch geht nicht auf die europäische Gesetzgebung ein, sondern ist für den amerikanischen Markt geschrieben.

Ebenso verhält es sich mit der Aussage „der Regen über Europa war mit dem Pestizid Atrazin, Alachlor, 2,4-D und anderen verbreiteten Agrargiftin versetzt, die über Feldfrüchten versprüht werden“ auf Seite 40. Eine solche Belastung des Regenwassers ist nur möglich wenn das Pestizid durch Flugzeuge auf den Agrarflächen ausgebracht wird. Wenn also tatsächlich dieses Pestizid in Europa im Regenwasser festgestellt wurde, bedeutet dies, dass das Pestizid über Wolken über dem Atlantik gekommen ist. Auch hier fehlt leider jegliches Zahlenwerk über die genannte Belastung. Man muss sich fragen, von welcher Konzentration spricht er? Reden wir von Milligramm, Mikrogramm oder Pikogramm pro 1000 Liter Regenwasser?

Auch ist auf Seite 45 die genannte Zahl der Zunahme von GVO-Feldfrüchten zwar richtig, aber die Darstellung in zweihundertneununddreißig Millionen Kilogramm ist unsinnig. Normalerweise stellt man Feldfrüchte jeglicher Art in Tonnen dar und nicht in Kilogramm.

Diese reißerische Darstellung zerstört viel von dem positiven Ansatz die Giftigkeit von Pestiziden aufzuklären und auf die Steigerung des Anbaus von gentechnisch veränderten Feldfrüchten kritisch hinzuweisen. Der interessierte Leser wird durch diese Aussagen verwirrt.

Andere Ansätze, wie zum Beispiel auf Seite 47 „chemische Einzeltests reichen nicht“ sind richtig. Man muss bei Pestiziden und Herbiziden immer die Kombination der Wirkstoffe beachten und testen, da es durchaus die Regel sein kann, dass bestimmte Kombinationen von Pestiziden eine massive Steigerung der Wirksamkeit haben können. Dies hat zur Folge, dass der Landwirt mit dem Wissen der Kombinationsverstärkung der Pestizide eine viel geringere Dosierung nutzen kann. Dass die Industrie dieses nicht gerne hört, ist jedem Leser klar, da man wenn man mehr verkauft auch mehr verdient.

Im Zweiten Teil des Buches wird die Frage gestellt, was wir zum Schutz unserer Kinder und unserer Zukunft tun können. Denn darum geht es dem Autor im Besonderen.

Der Bioanbau und die biologische Bewirtschaftung ohne Einsatz von Pestiziden sind sehr gut möglich. Dies wird am Ende des Buches auch sehr positiv und glaubwürdig dargestellt. Dass gerade die Biolandwirtschaft zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt beiträgt, ist in unserer Landschaft schon heute sehr wohl erlebbar.

Allgemein bekannt ist, dass durch die Nutzung ungiftiger ökologischer Elemente im Einklang mit der Natur Feldfrüchte auf natürliche Weise geschützt werden können. Denn biologisch angebaute Pflanzen fördern durch ihr erheblich größeres Wurzelwerk die Verbesserung der Bodenstruktur. Zu plakativ missionarisch kommen allerdings die Abbildungen auf Seite 185 ff. daher, da Boden nicht gleich Boden ist, sondern vielfältige Spezifikationen aufweisen kann, die hier völlig unberücksichtigt bleiben. Die Aussage dass ein biologisch bewirtschafteter Boden automatisch eine hohe Bodengüte hat, trifft nicht zu, da es sandige, lehmige, humose etc. Böden gibt.

Leider wird im Buch nicht auf die Nutzung von samenfesten Sorten im biologischen Anbau hingewiesen. Ein Thema, welches allerdings auch ein eigenes Buch füllen würde. Neben der mittlerweile erkannten Gefahr durch Pestizide & Co. lauert die zweite gleich große Gefahr im Einsatz von gentechnisch veränderten Hybriden. Dieses erleben wir schon im kleinen Rahmen indem man liest, dass durch selbst angebaute Zucchini oder grüne Bohnen es zu lebensgefährlichen Vergiftungen gekommen ist, da diese Hybride waren und ohne es zu ahnen wieder angebaut wurden. Die gentechnische Veränderung solcher Pflanzen in der nächsten Generation ist unkontrollierbar. Nicht nur der Einsatz von Pestiziden und Co. vernichtet unsere Lebensgrundlage, sondern auch das Zulassen und Nutzen von gentechnisch veränderten nicht reproduzierbaren Pflanzen und dem daraus resultierenden Niedergang samenfester Sorten. Wir hängen heute schon am Versorgungstropf von Monsanto, Bayer & Co. Menschen, Tiere, Pflanzen, Insekten, Bienen und Bodenorganismen können gut und gerne auf Gifte der Agrarindustrie verzichten. Der Verbraucher sollte allerdings auch beim Kauf seiner Biolebensmittel darauf achten, welchen Ursprung diese Lebensmittel haben. Leider lässt das Biorecht noch viel zu viel Missbrauch zu.

Fazit: Das Buch ist gut gemeint, doch das Thema schlecht erklärt. Jedenfalls in der deutschsprachigen Ausgabe des oekom-Verlages. Besser ist also auch hier sicher das Original und nicht der gentechnisch veränderte Hybrid. Lesenswert? Ja, aber im Original von Acres U.S.A.

Dies ist eine Rezension von Petra Pettmann M.A.

Journalistin DJV

März 2018