Vorneweg: es ist kein Kochbuch für Jedermann. Und es hat Schwachstellen…
Ursprünglich wurde das Buch unter dem Titel „risotti dei migliori ristoranti del mondo – The best Risotti in the World“ von Riso Gallo S.p.A., dem Marktführer für Risotto-Reis in Italien, herausgegeben. Dieses italienische Reis-Unternehmen sammelt seit zehn Jahren Risotto-Rezepte von internationalen Spitzenköchen und veröffentlicht diese jährlich in einem Buch. Das erstmals in deutscher Sprache bei Callwey erschienene Buch mit gleichem Titel ist ein sehr schönes und aufwändig gestaltetes Kochbuch über Risotto.
Bereits der wunderbar gestaltete Umschlag des Buches nimmt mich in seinen Bann: Bunte Reiskörner, teils in glänzender Kupferprägung auf weißem Hintergrund. Wunderschön! Angepriesen als Kochbuch, welches in keinem Regal fehlen sollte, enttäuscht mich der Inhalt dann leider doch. Es ist kein Kochbuch, welches man einfach mal zur Hand nimmt, um ein leckeres Risotto-Gericht für Freunde oder die Familie zuzubereiten. 101 Risotto-Gerichte von Spitzenköchen der Welt liefern sich einen Wettbewerb und übertrumpfen sich durch Exklusivität und Extravaganz. Aufgrund ihrer Zutaten sind viele Rezepte alles andere als lebensnah und zeitgemäß. In puncto Artenschutz, Tierwohl und Nachhaltigkeit versagen sie teils komplett. Das ist sehr schade.
Im Vorwort von Cornelia Poletto ist nichts, aber auch gar nichts von der Liebe zum Risotto zu spüren. Der Schlusssatz des Vorwortes „Bekannte Sorten sind Carnaroli, Arborio und Vialone“ ist der wirklich einzige Hinweis auf die sehr unterschiedlichen Reissorten, die man für ein Risotto-Gericht nutzen kann. Meiner Meinung reicht es nicht, einfach „Risotto-Reis“ als Zutat anzugeben. Risotto ist so viel mehr! Und so simpel, wie Cornelia Poletto meint, ist die Zubereitung von Risotto wahrlich nicht. Jedenfalls nicht, wenn er schmecken soll und die Zutaten nicht matschig und verkocht sein sollen.
Schon auf Seite 15 fängt das Dilemma an. „Mit dem Fachwissen aus Polettos Küche sollte jedes Rezept in diesem Buch gelingen…“ Doch genau das ist falsch. Fachwissen fehlt. Sorry! In jedem Rezept findet man: „Nehme 200, 250 oder 280g Risotto-Reis.“ Welche der geschmacklich und von den Kocheigenschaften sehr unterschiedlichen Sorten für was Verwendung finden, wird nicht dargestellt. Noch schlimmer sind die Rezepte mit der Bezeichnung „Risotto-Reis-Mischung aus drei verschiedenen Sorten“ (Seite 128).
So lieblos von Risotto zu sprechen, ist sträflich für diese wirklich spannenden und schönen Rezepte. Dass Riso Gallo dies so akzeptiert, ist ein Wunder. Fehlt etwa das Einführungskapitel mit der Vorstellung der von Riso Gallo offerierten Risotto-Sorten? Eine Warenkunde mit Einführungen in die Vielfältigkeit der Risotto-Reissorten und zu den Anbaugebieten in Italien wäre gut gewesen. Wohl dem, der sich auskennt. So wie ich. Denn ich durfte vor einigen Jahren höchstpersönlich von Jeancarlo Cometto aus Vercelli lernen, wie man einen wirklich guten Risotto zubereitet. Siehe hierzu meinen Bericht von meiner Pressereise, die ich mit dem Vorstand des Vereins der Köche Deutschlands nach Vercelli gemacht habe. Dazwischen liegen Welten. Auch was das Fachwissen anbelangt…
So kreativ wie der Umschlag, ist auch die Aufmachung einer jeden Rezeptvorstellung grafisch liebevoll durch das Studio Martin Steiner, Berlin, umgesetzt: Ein großes optisch ansprechendes Foto des Risotto-Gerichts, ein kleines Foto des Kochs, kurzer Text, Rezeptur und Anleitung. Schön. Man erfährt, wie die einzelnen Köche rund um den Globus Risotto für sich interpretieren. Das ist spannend. Die Kartierung verrät, wo auf der Welt sich die beteiligten Restaurants befinden. Das Gros natürlich in Italien, gefolgt von Großbritannien, Deutschland und der Schweiz. Dann wird es übersichtlich auf der Weltkarte: Lettland, Malta, Polen, Israel, Thailand oder Singapur glänzen oft nur durch ein einziges Restaurant.
Doch nun zum Eigentlichen: Ein Gericht, welches mich begeistert hat, ist das Rezept von Sebastian Völkel, Restaurant Jedermann, Strasskirchen DE, Seite 156. Risotto mit Lammkeule, Rotweinschalotten und geriebenem Meerrettich. Wir haben es nachgekocht. Es ist geschmacklich ein Gedicht und zeigt in der Kombination der Zutaten eine Geschmacksharmonie. Besonders die Rotweinschalotten sind zu einem Risotto mit Fleisch eine sehr gute geschmackliche Ergänzung. Die Anleitung die Rotweinschalotten herzustellen ist gut und verständlich geschrieben. Nachkochen!
RISOTTO = RISOTTO? Mit Aal, Stopfleber & echtem Gold?
Leider ist die weitere Rezeptauswahl nicht wirklich gelungen. Rezepte mit Aal, einer vom Aussterben bedrohten Spezies, gehören in der heutigen Zeit nicht mehr in ein Kochbuch. Luca Fantin, Küchenchef des Ristorante Luca Fantin, Tokio, Japan, hat da wohl eine andere Auffassung (Seite 213, 214). Bei Slowfood sind Gerichte mit Aal ein Ausschlusskriterium für die Aufnahme in den Genussführer. Das sollte jedem zu denken geben. „Risotto mit Aal und grüner Paprikaschote“ als rein italienische Küche zu bezeichnen, die auf „saisonalen, hochwertigen Zutaten“ basiert, hat für meine Ohren einen bitteren Nachgeschmack.
Noch schlimmer sind die Rezepte mit Foie gras, einer Gänsestopfleber, die durch Tierquälerei – nämlich durch brutale Überfütterung der Gänse – entsteht. Auch dies gehört nicht in ein solches Buch (Seite 22). Und auch nicht mehr in die gehobene Küche. In Deutschland ist diese brutale Zwangsernährung der Gänse längst verboten. Das Gericht „Risotto mit Turiner Wermut, Foie Gras und grünem Apfel“ von Mariuccia Roggero, Küchenchefin und Besitzerin des San Marco, Canelli, Italien, basiert auf Gänsestopfleber. Musste das unbedingt sein? Nicht gut.
Gerichte mit essbarem Blattgold, wie auf Seite 42, 49 und 171 sind unangemessen. Sie sind einfach nicht mehr zeitgemäß und senden ein falsches Signal. Hélder Santos, Küchenchef des Restauants im Lapa Palace in Lissabons Zentrum, Portugal“ serviert „Schwarzes Risotto mit Tintenfisch und Tomatensphären“ mit 4 g essbarem Gold. Verschwendung ist mega out.
Dass gerade die italienischen Spitzenköche regionale Zutaten verwenden ist löblich, aber es fehlt der Hinweis auf geschmackliche Alternativen. Wer die Gerichte nachkochen möchte, kommt leider schnell in Verlegenheit, da einige Zutaten bei uns schwer zu beschaffen sind. Zum Beispiel verwendet Angelo Valazza in seinem Restaurant Al Sorriso, Soriso, Italien, im Gereicht „Risotto mit Kürbis, Gorgonzola und Schokolade mit Cureggio-Zwiebel“ landestypische Audere-Schokolade mit Cureggio Zwiebeln (Seite 29). Wer das Gericht nachkochen möchte, müsste diese Schokolade extra im italienischen online-shop bestellen ( https://www.audere.it/en/bars.php ), oder einen italienischen Feinkosthändler kennen, der das Produkt vorrätig hat. Und ohne diese Schokolade fehlt sicher der Kick. Also – wertlos zum Nachkochen.
Völlig aus dem Ruder gelaufen ist die Übersetzung und die Mengenangaben sind teilweise so falsch, dass man nur noch den Kopf schüttelt. Teilweise sind die Stilblüten schon zum Schmunzeln, so falsch wurde übersetzt. Das Buch verdient wirklich eine bessere Übersetzung.
Die Mengenangaben sind völlig falsch. Welcher Koch verwendet denn wie auf Seite 171 für ein 4-Personen-Risotto wirklich 4g essbares Gold – nahezu lächerlich. Ein Gramm Gold kostet rund 40 Euro plus Aufgeld, also würden sinnlos rund 160 bis 190 Euro zuerst in den Gaumen und dann in den Kanal gespült werden. Gemeint ist wahrscheinlich 4 Blatt Blattgold. Und selbst das wäre eine Verschwendung. Wer braucht so etwas heute noch? Das Echte zählt. Nicht die Dekadenz.
Phantastisch mutet ein Rezept der Familie Fischetti auf Seite 90 an, in dem „120g Parmigiano Reggiano von „roten Kühen“ verwendet werden. Ist das ein Witz, oder was hat die Übersetzerin Judith Marnet sich dabei gedacht? Und weiter geht es im Reich der hirnlosen Übersetzungen mit einem 4-Personen-Risotto, für das 10g gemahlener Kaffee verwendet wird. Zum Vergleich: der professionelle Barista nimmt 7g für eine Tasse Espresso. Die Übersetzung ist voller Verständnis-Fehler. Schade.
Dem Buch hätte es sehr gutgetan, wenn ein Profi-Koch, der des handwerklichen Kochens noch mächtig ist, einmal gründlich über die Angaben der jeweiligen Zutaten geschaut hätte. Es wäre jetzt interessant, welche Angaben in der Originalsprache gemacht wurden. Judith Marnet, die den Text aus dem Englischen übersetzt hat, fehlt das Verständnis für Rezepturen. Vielleicht auch, weil sie wie auf ihrer Homepage www.naschkatze.me erkennbar, als Food-Bloggerin zwar nett über Food schreiben kann, aber wohl nicht wirklich etwas von der Materie versteht. Cornelia Poletto als „eine der bekanntesten deutschen Köchinnen“ auf den Sockel zu stellen, und Sterneköchen wie „Götter in Weiß“ zu huldigen, zeigt ihr naives, völlig fachfernes verklärtes Verständnis unserer Branche, über die ich seit rund 20 Jahren in Wirtschaftsfachzeitschriften schreibe.
Dass Cornelia Poletto das deutschsprachige Buch nicht gewissenhaft geprüft hat, welches ihren Namen trägt, erzeugt ein weiteres Kopfschütteln. Callwey ist für hochwertigste Bücher bekannt. Der Name hält dieses Mal leider nicht, was Leser von ihm erwarten.
Eigentlich sind es bis auf wenige Ausnahmen tolle, sehr leckere Rezepte mit sehr ansprechenden Toppings, aber mit einer sehr schlechten Übersetzung. Und zum einfach mal so Nachkochen sind die Rezepte schon gar nicht geeignet. Wer weiß denn, wie er zuhause mit Stickstoff – einer extrem gefährlichen Substanz – hantieren soll? Solche Rezepte gehören nicht in ein Kochbuch für Jedermann. Wäre es speziell für Kochprofis und Kollegen aus der Sterneküche, könnten diese damit umgehen. So wird es leider nichts mit der Liebe zum Risotto.
Fazit: „Ti amo? So nicht“
Infos zum Buch: Herausgeber: Riso Gallo S.p.A. Erscheinungsdatum: 14. März 2019 (1. Auflage) Erscheinungsdatum der Italienischen / englischen Originalausgabe: 2016 Ausstattung: Gebunden Seitenzahl: 240 Fotografen: Enno Kapitza Verlag: Callwey Preis: 39,95 € ISBN: 978-3-7667-2410-9
Dies ist eine Rezension von Petra Pettmann M.A.
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