„Die Qualität des Essens fängt bei der Züchtung an“
„Wenn wir gentechnikfreie Produkte haben wollen, müssen wir selbst züchten“ sagt Agrarwissenschaftlerin und Züchterin Christina Henatsch. „90 Prozent von dem, was an Gemüse bei uns in Deutschland verzehrt wird, sind bereits gentechnisch veränderte Hybride!“
Mein INTERVIEW mit Dr. Ursula Hudson und Christina Henatsch im August 2017:
Saatgut aus biologisch-dynamischer Züchtung und der Anbau verschiedener Gemüsesorten liegt beiden Frauen am Herzen. V.l.: Dr. Ursula Hudson, Vorsitzende Slow Food Deutschland und Kulturpflanzenentwicklerin Christina Henatsch im Gespräch mit Petra Pettmann auf Gut Wulfsdorf nordöstlich von Hamburg zu Themen, die uns alle angehen. (Foto: Petra Pettmann)
Einleitung
Ist gentechfreies Gemüse ein auslaufendes Nischenprodukt? Sind wir bereits weltweit Opfer von Monsanto, Bayer & Co.? Warum werden Verbraucher nicht darüber informiert, dass sie GVO-Lebensmittel essen? Die „Ohne Gentechnik-Kennzeichnung“ fristet ein Schattendasein. Der Lebensmittelhandel befürchtet eine Massenhysterie, wenn die tatsächliche Verbreitung von GVO transparent wird. So schreitet die CMS-Hybridzüchtung voran und gentechnisch veränderte Organismen breiten sich wie eine Seuche aus. GVO muss in vielen Bereichen der Lebensmittelproduktion nicht einmal gekennzeichnet werden und kommt so durch die Hintertür auch ganz legal in biologisch-dynamisch produziertes Gemüse. Es ist 5 vor 12. Samenfeste Sorten, die rein von gentechnisch veränderten Strukturen sind, könnte es bald nicht mehr geben, wäre da nicht ein kleines „gallisches Dorf“.
Eine Gruppe von verantwortungsvoll handelnden Gemüsezüchtern hat sich zum Verein Kultursaat e.V. zusammengeschlossen und wirkt diesem Missstand durch gezielte Züchtung samenfester Sorten aus biologisch-dynamischem Anbau entgegen. Eine der Züchterinnen ist Dipl. Ing. Agr. Christina Henatsch aus Ahrensburg bei Hamburg. Die Agrarwissenschaftlerin stieg 2001 in den Samenbau ein und startete erste Züchtungsversuche. Seit 2001 betreibt sie finanziell und personell unabhängig am Demeter Betrieb auf Gut Wulfsdorf Züchtungs- und Qualitätsforschung auf biologisch-dynamischer Grundlage. Sie entwickelt samenfeste Kulturpflanzen und hat dabei Ansichten, die weit über den herkömmlichen Ansatz von normalen Bio-Produkten hinausgehen. Anhand des Anbaus am Beispiel verschiedener Gemüsesorten erklärte sie interessierten Veranstaltungsteilnehmern im August 2017 in ihrer Züchtungsstation auf Gut Wulfsdorf, wie kostbar „Der Schatz der Ahnen“ in unseren Händen ist und warum dieser in großer Gefahr ist, unwiederbringlich verloren zu gehen. Wir nutzten diese Gelegenheit und sprachen mit Züchterin Christina Henatsch und Dr. Ursula Hudson, Vorsitzende Slowfood Deutschland e.V., die als streitbare Befürworterin dieses Themas zur Slowfood-Veranstaltung geladen hatte.
Darum geht es: Mit der CMS-Technik wird die Selbstbefruchtung des Saatguts verhindert. Es entstehen CMS-Hybride. Artfremde Zellen werden miteinander verschmolzen. Man kombiniert männlich-sterile Pflanzen mit einer Zelle der zu züchtenden Pflanze (z.B. Kohlsorten wie Brokkoli, Kohlrabi, Blumenkohl mit Rettich und Zichorien (z.B. Chicorée, Radicchio, Zuckerhut) und bringt sie zur Zellfusion. So wird Gentechnik durch die Hintertür eingeschleust. Mitgliedsbetriebe von Anbauverbänden wie Demeter, Gäa, Ifoam, Bioland und Naturland dürfen Pflanzensorten, die mit CMS-Technik hergestellt sind nicht verwenden. Aber: Nach der EG-Öko-Verordnung ist der Einsatz von CMS-Saatgut erlaubt. Die EU-Freisetzungsrichtlinie (Richtlinie 2001/18/EG) definiert die durch Zellfusion entstandenen Organismen als gentechnisch veränderten Organismus (GVO). Anhang 1B hebt die Kennzeichnungspflicht wieder auf und gibt genau diesem Verfahren damit einen Freischein zur ungehinderten Verbreitung. So dürfen selbst Biobetriebe CMS-Saatgut einsetzen und das so erzeugte Gemüse als Bio-Gemüse verkaufen. Es ist von optisch einheitlicherer Qualität als herkömmliches Bio-Gemüse von samenfesten Sorten. Und der Konsument lässt sich gerne blenden. Zudem sind die CMS-Hybriden ertragreicher und können damit günstiger vermarktet werden. Was nützt da noch das Bio-Label? Nichts! Der Verbraucher gibt mehr Geld aus und erhält trotzdem GVO-Ware. Ein Label „CMS-Frei“ ist dringend von Nöten. Und die verstärkte Züchtung samenfester Sorten aus biologisch-dynamischem Anbau.
Thema „Gelebte Biodiversität in Deutschland“ – wo stehen wir?
Dr. Ursula Hudson: „Die Biodiversität ist nicht nur in Deutschland, sondern weltweit in Gefahr. Durch Genmanipulation verschwinden unwiederbringlich immer mehr Kulturpflanzen. Die Agrarindustrie macht ungehindert Experimente an Tier und Pflanze und so schlussendlich auch am Menschen. Doch Kulturpflanzenentwickler wie Christina Henatsch können es durch ihre Züchtung von samenfesten Sorten für den Ökolandbau schaffen, die Biodiversität zu bewahren, indem sie neue samenfeste Sorten entwickeln und diese dann fest in unseren Speiseplan etabliert werden.“
Stimmt die Aussage: Die Qualität unseres Essens fängt mit der Züchtung an?
Christina Henatsch: „Genau das ist es! Mit der Züchtung fängt alles an. Wenn ein Produkt von der züchterischen Qualität schlecht ist, kann ich mich auf den Kopf stellen. Ich kann es natürlich mit Massen von Gewürzen essbar machen, aber Genfood bleibt Genfood. Auch kein Demeter-Betrieb wird eine Hybrid-Qualität verbessern können. Wir brauchen Transparenz!“
Hudson: „Schon 1924 sah Rudolf Steiner das eigentliche Problem in der nachlassenden Nahrungsqualität und sprach davon, dass die landwirtschaftlichen Produkte schon relativ bald so degeneriert sein werden, dass sie noch im Laufe des Jahrhunderts nicht mehr zur Ernährung des Menschen dienen können. Dieses Stadium haben wir längst erreicht. Vieles ist heute von schlechter Qualität und füllt nur noch den Magen. Wirkliche Nährkraft hat es nicht. Das wichtigste Kulturmerkmal, die gute Nahrungsqualität, ist bei heutigen Massenzüchtungen verloren gegangen.“
Wie unterscheiden sich Hybride von samenfesten Sorten?
Henatsch: „Es geht um verschiedene Züchtungstechniken: Hybride haben samenfeste Sorten nahezu verdrängt. CMS-Hybride werden mittels gentechnischer Methoden erzeugt. Aktuell bei Kohlrabi, Brokkoli und Blumenkohl. CMS bedeutet Cytoplasmatische Männliche Sterilität. Mittels Anbau von CMS-Hybriden werden in Deutschland bereits gentechnisch veränderte Organismen (GVO) ganz legal verbreitet und freigesetzt. Denn Hybridsaatgut liefert gute Erträge, die Pflanzen sind gleichförmiger und daher besser zu vermarkten. Aber sie sind steril und können sich nicht fortpflanzen! Samenfeste Sorten aus biologisch-dynamischer Züchtung hingegen sind natürlich entstanden und können von jedem immer wieder angebaut werden. Sie haben Zukunft in sich.“
Erhalten Sie Alte Sorten zur Bewahrung der Biodiversität?
Henatsch: „Nicht jede alte Sorte ist per Definition gut. Nicht jede alte Sorte schmeckt. Im Gegenteil! Mir geht es nicht darum etwas Altes zu bewahren, sondern mir geht es darum etwas zeitgemäßes Neues zu entwickeln. Ernährung bildet den Menschen, ernährt den Menschen, schafft dem Menschen eine Kräftegrundlage um seine Arbeit zu tun und sich seelisch geistig zu entwickeln. Das kann nicht mit Rückgriff auf Altes passieren, sondern uns stellt sich die Frage ‚Wie kann ich für die Zukunft züchten?‘. Der Mensch soll sich mit dem was er isst auch seelisch-geistig entwickeln können.“
Wie muss die Ernährungsqualität eines Produktes heute beschaffen sein?
Henatsch: „Die Menschen haben schon eine neue Leiblichkeit! Und die braucht eine andere Ernährung. Die braucht die Bildekräftequalität von Produkten. Die energetische Produktqualität muss anders sein. Diese muss reiner sein, muss durchlässiger sein, muss lichter sein, muss heller sein! Das gilt es zu entwickeln. Schlechtes Essen kostet den Körper Energie. Es macht müde, unkonzentriert und krank.“
Hudson: „Natürliche Ressourcen wie der Boden, das Wasser und samenfestes Saatgut brauchen Schutz. Wir brauchen keine Monokulturen, sondern eine große Zahl von leistungsfähigen Sorten der verschiedensten Nutzpflanzen, die an diverse Standorte und klimatische Verhältnisse angepasst sind und aus sich heraus ohne Dünger und Pflanzenschutzmittel gesund wachsen können. Nur Vielfalt kann den Klimawandel überstehen und unsere Welt die nächsten Jahrhunderte ernähren. Kleinräumige Ökosysteme beherbergen viele Pflanzen und Tiere und sichern Biodiversität.“
Welche Rolle spielt die Anbauqualität bei der Speisenzubereitung?
Henatsch: „Die Art der Düngung, die Bodenbeschaffenheit, die Einstellung des Anbaubetriebes und der Umgang mit den Pflanzen selbst sind entscheidend. Thema Verarbeitung: „Wenn ich vorher alles tieffriere und conveniencemäßig alles puffe und strecke, kann man von Nahrungsmittelqualität nicht mehr sprechen. Warum essen Menschen denn so viel? Sie werden von dem was sie essen nicht mehr satt! Es fehlen sekundäre Pflanzenstoffe, Mineralien und die energetische Qualität ist schlecht. Züchtungsziel herkömmlicher Gemüsezüchtung ist es mehr Kilo auf die Wage zu bringen, weil das mehr Geld bringt.“
Hudson: „Wir sind nicht Ernährungssouverän! Keiner denkt über Getreidezucht nach, wenn er beim Bäcker ein Brot kauft. Das Saatgutthema ist vielen zu kompliziert. Das Bewusstsein für Bio-Produkte mehr zu bezahlen ist gewachsen. Den doppelten Preis bezahlt jedoch niemand gern. Bei 20% mehr ist die Grenze.“
Worauf kommt es bei der Züchtung und dem Anbau von Gemüse an?
Henatsch: „Die Gesinnung und die Züchtungstechniken wirken sich auf die Qualität der Produkte aus. Mir geht es zunächst darum, samenfeste Sorten zu entwickeln, die für den Erwerbsanbau geeignet sind. Diese sollen eine Unabhängigkeit von multinationalen Saatgutkonzernen ermöglichen. Wichtig ist aber auch, dass diese Sorten sehr gut schmecken, eine hohe Ernährungsqualität haben und bekömmlich sind. Das aus den Samen entstehende Gemüse soll den Menschen in seiner physischen als auch in seiner geistig-seelischen Entwicklung stärken können. Dies geschieht durch Behandlungskompositionen, die die Pflanzen ihrem jeweiligen Wesen entsprechend aus dem Lebendigen heraus kräftigen. Wenn man die Bildekräfte fördert und der Pflanze das bestmögliche Umfeld schafft, kann sie aus sich heraus wachsen und gedeihen. Da geht es den Pflanzen nicht anders als den Menschen und den Tieren. Wir alle wollen uns wohlfühlen und artgerecht ernährt und umsorgt werden.“
Kann man samenfeste Sorten von Hybriden an ihren inneren Qualitäten erleben und voneinander unterscheiden?
Henatsch: „Man muss nur mal hin schmecken! Ähnlich einer Körperreise nimmt jeder Mensch unbewusst war, was ihm guttut und was ihm schadet. Das eigene Körperbewusstsein zu stärken, wäre also schon Mal ein erster Anfang. Sich zeit nehmen für das, was man isst. Nicht im Stehen und Gehen essen, im Betriebsrestaurant nicht lockerlassen und immer wieder fragen, ob Hybridgemüse in die Töpfe gekommen ist. Sortenfestes Gemüse verlangen. Jeder hat ein Recht auf Körpergesundheit.“
Wie viele Sorten haben Sie bereits angemeldet? Wurden diese als E-Sorte (Erhaltungssorte) vom Bundessortenamt zugelassen?
Henatsch: „Sorten sind Kulturgut und müssen allen zur Verfügung stehen. Auf Gut Wulfsdorf habe ich bisher rund ein Dutzend Sorten entwickelt, weitere haben Sie heute gesehen. Meine Züchtungen sind die Möhre ‚Fine‘ und ‚Solvita‘, den Spinat ‚Tahiro‘, den Spitzkohl ‚Eerstling‘, den Lauch ‚Philomeme‘, den Salat ‚Lucinde‘ sowie die Mangoldsorten ‚Roscho‘, ‚‘Salimo‘, und ‚Limago‘ die wie ein farbenfroher fröhlicher Regenbogen daherkommen.“
Haben solche Züchtungen eine bessere kochtechnologische Eigenschaft und eine bessere Pflanzengesundheit?
Henatsch: „Die Ernährungsqualität ist entsprechend des biodynamischen Leitbildes hoch. Das Gemüse aus samenfesten Sorten ist nicht degeneriert. Es ist stark, licht und frei. Diese Bildekräfte nehmen wir mit dem Essen in unserem Körper auf. Sie lassen uns auf natürlichem Weg wachsen und gedeihen. Samenfeste Gemüsesorten haben sich über Jahrtausende an das Leben auf der Erde angepasst und mit ihr entwickelt. Diese Ganzheitlichkeit schmeckt und merkt man. Fades, geschmackloses Hybridgemüse hat negative Bildekräfte, die sich auch negativ auf unsere Körper auswirken, uns unruhig und krankmachen. Ein Blick in die hektische Fastfood-Gesellschaft spricht für sich.“
Was müsste in Großküchen verändert werden?
Henatsch: „Es gibt Demeter Pilotprojekte und Seminare für Großküchenbetreiber, die zeigen, wie eine Ernährung mit biologisch-dynamischen Lebensmitteln gut machbar und finanzierbar ist. Das Problem sind jedoch nicht die Einkaufskosten, sondern viel eher die Verarbeitung von frischen Produkten. Die Küchen sind heute gar nicht mehr darauf eingestellt mit frischen Lebensmitteln zu arbeiten. Auch die Arbeitskraft diese zu verarbeiten fehlt! Und die meisten Betriebe haben gar keine eigenen Küchen mehr, sondern werden nur noch beliefert. Das ist das Problem. Wenn uns das alles nichts wert ist und Ernährung degradiert wird zur Magenfüllung, dann brauchen wir eh nicht mehr weiterreden.“
Hudson: „Es fehlt die monetäre und mediale Unterstützung der Züchtung und des Anbaus von samenfesten Sorten auf Bundesebene, um ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass es „5 vor 12“ ist und Hybrid-Produzenten wie Monsanto, Bayer & Co. gestoppt werden müssen. Der Einsatz von samenfesten Sorten im Gemüselandbau und die Einhaltung einer transparenten Wertschöpfungskette vom Produzenten über die Großküche bis zum Verbraucher muss ausgebaut werden. Die Menschen dürfen nicht länger durch Verschweigen von Tatsachen an der Nase herumgeführt werden.“
Wie lautet Ihre Botschaft an GV-Betriebe in Deutschland?
Henatsch: „GV-Betriebe sollen beim Einkauf auf samenfeste Sorten aus biologischer Züchtung achten. Wenn sie dann noch frisch kochen würden, würden sie auch regional Arbeitsplätze schaffen und die Wertschöpfung der ganzen Region steigern.“
Hudson: „GV-Betriebe haben einen gesellschaftspolitischen Auftrag! Sie sind heutzutage oft die einzige Anlaufstelle für arbeitende Menschen, in denen diese eine warme Mahlzeit bekommen. Deshalb haben sie eine Vorbildrolle zu erfüllen und müssen deshalb auch Nachhaltigkeit in die Küche bringen. Da spielt Biodiversität eine extrem große Rolle. Damit hat man dann auch das lokal eingebundene in der Küche. Alles andere ist Firlefanz und Schnickschnack. Zu oft kommen standardisierte, industrielle Formen der Lebensmittelverarbeitung auf den Tisch. Genetisch verändertes Gemüse hat auf unseren Tellern nichts verloren.
Eine Gemeinschaftsverpflegung, die Wert legt auf Biodiversität und damit auch auf Lokales, hat auch einen wirtschaftlichen Auftrag. Sie können dazu beitragen, dass auch in resilienten Kleinstrukturen Wertschöpfung erfolgt. Dies erfordert jedoch ein völliges Umdenken. Die Umstellung auf Bioprodukte wurde beispielsweise in Kopenhagen vollzogen. Sämtliche Betriebe vom Kindergarten bis zum Altersheim und Behördenkantinen wurden auf Bio mit regionaler Beschaffung umgestellt. Damit hat man Landwirten einen Anreiz gegeben ihren konventionell geführten Betrieb auf Bio umzustellen und diesen Absatzsicherheiten gegeben. Dies ist eine resiliente regionale Unterstützung!“
Was muss sich beim Lebensmittelhandel ändern?
Hudson: „Im Lebensmittelgroßhandel und Einzelhandel erkennt man auf den Etiketten nicht die Sorte! Der Käufer weiß nicht, ob es sich um CMS-freie Ware handelt. Die Kennzeichnungspflicht muss verpflichtend und nicht freiwillig sein. Nur so erfahren Konsumenten was sie da essen!“
Henatsch: „Noch ist es fast unmöglich im Lebensmittelhandel samenfestes Gemüse von Hybrid-Gemüse zu unterscheiden. Es gibt derzeit noch keine Deklarationspflicht anhand derer der Verbraucher oder Koch erkennen kann, welche Gemüsesorte er kauft. Großhändler begnügen sich damit, die gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung des Herkunftslandes und der Art angeben zu müssen. Um welche Sorte es sich handelt, und welches Saatgut verwendet wurde, erfährt man nicht. Einige regionale Naturkost-Großhändler bemühen sich zumindest samenfeste Sorten einzukaufen und weisen diese auch als solche aus.“
Was fordern Sie von lebensmittelverarbeitenden Betrieben und Großküchen?
Henatsch: „Qualität hat ihren Preis. Für gesunde Ernährung muss mehr Geld zur Verfügung stehen. Gerade in Betriebsrestaurants hat der Betrieb doch ein Interesse daran, dass die Mitarbeiter denken können, sie sollen arbeiten können. Wenn ich diesen aber etwas zu essen gebe, was sie krankmacht, und sie nicht leistungsfähig sein lässt, so erfülle ich nicht den Auftrag, den die Gemeinschaftsverpflegung immer noch hat. Die Konzentrationsfähigkeit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit ist so viel besser mit Bio oder Demeter-Ernährung, dass dies mit Geld gar nicht aufzuwiegen ist. Man muss sich doch überlegen, über was man redet! Wenn man von 3 Euro (pro Gast / Patient) ausgeht ist das der falsche Ansatz!“
Wo ist Umdenken angesagt?
Hudson: „Wenn man sieht, dass Eltern nicht bereit sind 50 Cent mehr für die Schulverpflegung zu bezahlen, dann greife ich mir an den Kopf! Von der Armani-Hose oder vom Handy kann ich nichts abbeißen. Dafür ist aber Geld da. Für Lebensmittel, die den Körper eines jeden am Leben halten und die deshalb hochwertig sein müssen, ist kein Geld da. Da stimmt etwas nicht! Ernährung spielt keine Rolle mehr, obwohl die ein zentraler Bestandteil unseres täglichen Lebens ist. Alles ist wichtig, was ich anziehe, aber das intimste, was ich meinem Körper gebe, nicht.“
Henatsch: „Einem Baby Hybridbrei zu geben ist Körperverletzung. Alle Mittel und Verfahren, die Fortpflanzung verhindern, gehören nicht in unseren Kreislauf des Lebens und schon gar nicht auf unsere Teller. Pestizide & Herbizide rotten nicht erwünschte Populationen aus und greifen tief in die Biodiversität unseres Planeten ein. Lebewesen reagieren darauf mit der Ausbildung von Resistenzen, wodurch Monokulturen immer mehr mit der Chemie- und Genkeule behandelt werden müssen und der Einsatz unkontrollierbar ausufert.
Wo kann sich der GV-Koch beraten lassen und wer liefert ihm ausreichende Mengen?
Hudson: „Durch die Arbeit der Kultursaat-Züchter konnten über 80 Neuzüchtungen beim Bundessortenamt zugelassen werden. Die aus dem Initiativkreis entstandene Bingenheimer Saatgut AG organisiert die Saatgutvermehrung und vertreibt das Saatgut. Gemüse aus samenfesten Sorten des biologisch-dynamischen Landbaus können bei Demeter-, Bioland- und Naturlandbetrieben bezogen werden. Mittlerweile auch bereits in größeren Mengen.“
Das Interview führte Petra Pettmann
Quellen zum Nachlesen
www.uni-oldenburg.de/rightseeds
www.n-bnn.de (Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V.)
OpenSourceSeeds
Saatgut muss als Gemeingut auch rechtlich geschützt werden. Dafür setzen sich die unabhängigen Züchter von OpenSourceSeeds ein und gehen damit einen Schritt weiter als der Verein Kultursaat e.V., die neue Sorten ohne Einschränkung allen zur Verfügung stellen, aber nicht verhindern, dass andere daraus ein privates Gut machen. Über „OpenSourceSeeds“ können Sorten gemeldet und kostenfrei lizensiert werden. Ein erster Schritt hin zur Erhaltung der Biodiversität und mehr Ernährungssicherheit. Denn Kulturpflanzen sollen Gemeingut bleiben. Die Privatisierung des Saatguts und die heutige Monopolisierung muss gestoppt werden. Saatgut muss für alle frei nutzbar sein. Mit der Open-Source Lizenz soll der Privatisierung ein Riegel vorgeschoben werden. Patente und Sortenschutz sind für die so geschützten Sorten somit ausgeschlossen.
ZITATE
„GV-Betriebe haben einen gesellschaftspolitischen Auftrag. Sie müssen Nachhaltigkeit in die Küche bringen!“
(Zitat Dr. Ursula Hudson)
„Wenn jemand Essen als die schönste Nebensache der Welt deklariert, dann greife ich mir an den Kopf! Wie kann Essen nur zur Nebensache degradiert werden?“
(Zitat Dr. Ursula Hudson)
„Jeder hat ein Recht auf Körpergesundheit“
(Zitat Christina Henatsch)
„Wenn ein Produkt von der züchterischen Qualität schlecht ist, dann ist es nicht verbesserungsfähig.“
(Zitat Christina Henatsch)
Text + Bilder: Petra Pettmann M.A.